Présentation (éditeur Olms pour l’édition de 2004)
In 1872 Moritz Wolff, Rabbi of the Jewish congregation in Gothenburg published the first German translation of an early Arabic treatise which had lain neglected for centuries, giving it the title Muhammedanische Eschatologie. Although the exact date of the text and the identity of its author still remain unknown, the significance of its content was quickly recognised.
The work is an extraordinary document of faith which reflects the Islamic conception of the afterlife and thus penetrates to the very heart of this religion. The progress of the soul after death is described in language rich in metaphor. The poetic force with which the Last Judgement, Hell and Paradise are evoked still has a strong aesthetic appeal even for non-believers. Especially today, when religious differences are in the foreground of political debate, it is interesting to see how closely the Islamic conception of the afterlife converges with those of Christianity and Judaism. This bilingual edition makes Wolff’s sensitive rendering of this important document available once again.
(Source : http://www.olms.de/)
Préface (p. VII-XII, sans les notes de bas de page)
Der Umstand, dass — meines Wissens — eine voll-
ständige, auch die kleinsten Momente zur Anschauung brin-
gende muhamraedanische Eschatologie bisher noch nicht ver-
öffentlicht worden, lässt mich die Hoffnung hegen, dass die
vorliegende Schrift für die Freunde der orientalischen Literatur
nicht ohne Interesse sein werde. Ganz populär gehalten, wie
sie ist, kann sie zwar auf die Bedeutung einer wissen-
schaftlichen Darstellung des Gegenstandes keinen An-
spruch machen, zur Geschichte des Glaubens an Un-
sterblichkeit und Vergeltung jedoch liefert sie einen nicht
unwichtigen Beitrag. Zugleich aber .auch erschliesst sich in
ihr gerade deshalb, weil sie, wie für das Volk bestimmt,
auch aus dem innersten Leben desselben hervorgegangen ist,
der Ethnopsychologie eine — wenigstens th eilweise —
neue Quelle zur Characteristik des muhammedanischen Geistes.
Das bekannte Wort eines alten griechischen Epigrammatisten :
„aus deinen Affectionen, o Mensch, hast du deine Götter
gemacht !" lässt sich ja auch mit vollem Rechte auf die
menschlichen Vorstellungen vom Jenseits anwenden : aus dem
Bilde, das der Volksgeist von dem ewigen Leben sich ent-
wirft, lässt sich daher unschAver sein innerstes Wesen erkennen.
Grotesk ist das Bild, das wir in unserer Schrift vor
Augen haben : in massloser, ungezügelter Phantasie hat der
muhammedanische Volksgeist es geschaffen, mit den grellsten
Farben, bald tiefdunkel und grauenerweckend, bald hell
schimmernd und die Sinne reizend es gemalt. Dem Mu-
hammedaner gilt dies aber nicht als frei gestaltetes Erzeugniss
der Phantasie, dem — wie den Gebilden der rabbinischen
Haggada — jede bindende und verpflichtende Kraft für
den Glauben fehlt, sondern ihm ist es ein Gegenstand der
religiösenUeber Zeugung, als solcher hochgeh alten und
daher von tiefeingreifender Wirkung auf. das ganze religiöse
upd sittliche Leben.
Es erfüllt uns mit Wehmuth , diese Verirrungen des
Menschengeistes zu sehen, bei einem in dem Wesen desselben so
begründeten, heiligen Drange, über die Schranken des irdischen
Daseins sich zu erheben und das sehnsüchtige Verlangen nach
einem höhern, ewigen Leben durch Betrachtungen darüber zu
stillen. Und doch sehen wir auch hier bisweilen, wie aus
dichtem Gewölk, das Gotteslicht hervorbrechen, und es tritt
uns gar Manches entgegen, worin, wenn wir ihm die krause
Umhüllung abstreifen, der Strahl der Wahrheit unser Herz
erfreut.
Das Gefühl für den heihgen Ernst des Lebens, das an
verschiedenen Stellen einen sehr warmen, wenn auch sonder-
baren Ausdruck findet, die mit Zuversicht ausgesprochene
Ueberzeugung von der ewigen Liebe Gottes, von der Unend-
lichkeit seiner Gnade gegen den Reuevollen, von dem unver-
gänglichen Werthe des mit aufrichtigem Herzen geübten Guten
und der Seligkeit, die den Frommen zu Theil wird (nach
muhammedanischer Anschauung natürlich — unter den „Gläu-
bigen"), — diese und andere Lichtpuncte mehr geben uns
Zeugniss von der auch hier die „rudis iudigestaque moles"
durchbrechenden Gotteskraft im Menschen ; jedenfalls lassen
sie uns, wenn wir im üebrigen in Zeit, Oertlichkeit und Ver-
hältnisse uns hineindenken und selbst die bisweilen (besonders
in dem Capitel über die Huris) in einer unser sittliches Ge-
fühl so isehr verletzenden Weise hervortretende Sinnlichkeit auf
Rechnung des „heissblütigen" Orients*) setzen, dem Ganzen
einen höhern Werth beilegen, als jenem crassen Materialismus,
der, kalt und gleichgültig für alles Uebersinnliche, (sei es in
der Theorie oder Praxis) nur an das Endliche, Stoffliche sich
anklammert und darin allein alles Leben und Heil sucht.
Ausserdem scheinen mir auch bei Beurtheilung des in unserer
Schrift sich kundgebenden religiösen Standpunctes die trelff-
lichen Worte beherzigenswerth, die Geiger*) im Allgemeinen
hinsichtlich anderer Religionen aussprach ; „Einer Religion
nähertretend, die wir nicht theilen, werden wir niemals ver-
gessen, dass sie von zahlreichen Geschlechtern als ein Heilig-
thum verehrt wurde, in dem sie ihre Beseligung suchten und
fanden, dass heute noch Millionen unter ihrem Dache Schutz
suchen und den Frieden ihrer Seele zu linden glauben. Es
wäre vermessen und unwürdig, wollten wir "die Gesinnungen
und Handlungen der Bekenner dieser Religion, wenn wir sie
nicht billigen können, als verabscheuenswerth bezeichnen, und
es würde uns selbst tief herabsetzen, wenn wir als Beweg-
gründe Hass und Feindschaft aufsuchten , während das Herz
innerlich erglüht und der Geist nach dem Aufschwünge ringt.
Wir werden lieber Verblendung als Verstocktheit, lieber die
Verirrung leicht erregbarer Gefühle als absichtliche Bosheit,
lieber Beschränktheit, als wesentliche Verleugnung der Wahr-
heit annehmen."
Soviel hinsichtlich des Inhalts unserer Schrift ! Wann
und von wem dieselbe verfasst worden, ist uns gänzlich un-
bekannt, doch scheint soviel sicher zu sein, dass sie der
spätem Zeit angehört. Dies geht besonders aus den häu-
figen Verstössen gegen die alt- arabische Grammatik (vgl.
Anmerk. 13), namentlich in Betreff des Genus, hervor.
Unserem Texte habe ich eine vor Jahren von mir an-
gefertigte Abschrift eines Codex der Leipziger Raths-Bibliothek
(s. Fleischer’s Catal. S. 471, Col. 1, N CXCH) mit genauer
Berücksichtigung der von Herrn Prof. Fleischer über die einzelnen Zeilen und an den Rand derselben gescliriebenen
Varianten aus einem Codex der Dresdner Königl. Bibliothek
(s. Fleisch er ’s Catal., p, 17 N. 11) zu Grunde gelegt,
Durch die Güte des ehrwürdigen Altmeisters der arabischen
Sprachwissenschaft und Literatur war ich so in den Stand
gesetzt, überall die Dresdner’ Handschrift zu vergleichen und
zu Rathe zu ziehen. Ausserdem stand mir eine kleinere
Sammlung von Varianten aus einem Codex des British Mu-
seum zu Gebote, die ich einmal von Herrn Dr. C. Kapff aus
Tübingen, der einige Zeit in London lebte und mein Manuscript
in Händen hatte, zur Durchsicht und Benutzung erhielt. Für
die mir dadurch erwiesene Freundlichkeit spreche ich ihm
hiermit meinen besten Dank aus.
Der Varianten (und’ auch offenbar fehlerhaften
Stellen) gab es eine so grosse Menge, dass nur ein kleiner
Theil davon in den Anmerkungen erwähnt werden konnte.
Eine vollständige Zusammenstellung dei’selben an einem andern
Orte hielt ich nicht für nöthig.
Die lieber Setzung ist mit möglichster Treue abgefasst
worden. In den Anmerkungen war es mir — abgesehen
von der Besprechung der Varianten und auch, soweit es noth-
wendig war, grammatischer Puncte — vorzüglich darum
zu thun/ auf die’ haggadi sehen Stellen hinzuweisen, die
entweder geradezu als Quellen, aus denen unser Buch ge-
schöpft, sich erkennen lassen, oder doch so bedeutende Ana-
logien bieten, dass sie Beachtung verdienten*). Sie liefern
zugleich einen neuen Beweis dafür, dass nicht blos im Koran
viele rabbinische Sätze, wenn auch in ein eigenthümliches
Gewand gehüllt, enthalten sind (was Geig er’ s gründliche
Forschung bereits vor beinahe vierzig Jahren mit Sicherheit
festgestellt und die gediegenen Arbeiten von Weil, Nöl-
d e k e und Sprenger noch mehr bestätigt) , sondern auch
nachmuhammedische Lehrer des Islam, durch die viel-
fachen Berührungen mit Juden, dem Judenthume religiöse
Anschauungen, Sentenzen ixnd Legenden entlehnt haben. Dass
aber auch andererseits die Haggada aus fremden Quellen,
namentlich aus dem Parsismus geschöpft hat und da-
durch vor Allem neben der Fülle lieblicher Blumen, die auf
ihren üppigen Gefilden erblüht **), so manch wildes Gestrüpp
emporgeschossen ist, das sie in hohem Grade verunziert, ist eine Thatsache, die ich in Anmerk. 383 mit einigen Worten
besprochen.
Schliesslich habe ich nur noch in Betreff des Druckes
zu bemerken, dass trotz sorgfältigster Correctur doch an
mehreren Stellen Druckfehler vorkommen ; ich ersuche den
geneigten Leser, sie nach den „Berichtigungen" verbessern
zu wollen*),
Gothenburg, im Januar 1872.
Wolff.
Table des matières (p. XIII-XIV)
- Einleitung 1
- 1. Capitel. Von der Schöpfung Adams 9
- 2. „ Von den Engeln 13
- 3. „ Von der Erschaffung des Todes 16
- 4. „ Von dem Todesengel, wie er die Seelen nimmt .... 20—
- 5. „ Von der Antwort des Geistes 29
- 6. Von der Antwort der Glieder 30
- 7. „ Vom Satan, wie er den Glauben raubt 33
- 8. „ Vom Rufen 37
- 9. „ Von der Erde und dem Grabe 40
- 10. „ lieber den Geist nach seinem Scheiden aus dem Körper . 41
- 11. „ Von der Trauer um den Todten 49
- 12. „ Von dem Weinen über den Todten 52
- 13. „ Von der Geduld im Unglücke 53
- 14. „ Vom Herausgehen des Geistes aus dem Leibe 55
- 15. „ Ueber den Engel, der zuerst vor Munkar und Nakir in’s Grab tritt 69
- 16. „ Von der Munkar und Nakir gegebenen Antwort der Werke (des Menschen) 71
- 17. „ Von den edlen Schreibern 74
- 18. „ Von dem Geiste, wie er nach seiner Trennung vom Körper zu seinem Grabe und seinem Aufenthaltsorte kommt . . 76
- 19. „ Vom Sitze der Seele im Körper und ihrem Aufenthaltsorte, nachdem sie abgerufen worden 82
- 20. „ lieber das Wesen des Geistes 86
- 21. „ Von der Posaune, der Auferweckung und Versammlung zum jüngsten Gericht ; 89
- 22. „ Ueber das Posaunenblasen und den Schrecken 92
- 23. „ Ueber das Verschwinden der Dinge 97
- 24. ,, Wie Gott die Geschöpfe (zum jüngsten Gericht) versammelt. 99
- 25. „ Von der Beschaffenheit des Btiräk .... .... 101
- 26. ,. Das Posaunenblasen zur Auferweckung 104
- 27. „ Ueber die Beschaffenheit der Geschöpfe, wie (nämlich) der Tag der Auferstehung sie erscheinen lässt 105
- 28. „ Die Auferweckung der Geschöpfe aus den Gräbern . . . 115
- 29. „ Von dem Sich-Hinbewegen der Geschöpfe zum Orte der Auferstehung 121
- 30. Capitel. A’on der Hitze am Tage der Auferstehiing 123
- 31. „ Wie das Paradies den Gottesfürcliligon naliogebraclit und die Hölle den Sündern vor das Angesicht geführt wird . . . 134
- 32. „ Von der scinversten Stunde in dieser niid in jener Welt . 135
- 33. „ Von dem Hin- und Herflregen der Bücher am Tage der Auferstehung 138
- 34. „ Von der Art und Weise, wie die Wage aufgestidlt wird . 146
- 35. „ Von der Höllenbrücke 147
- 36. „ Von dorn Höllcnfeuer 154
- 37. „ Von den Höllcnhöfen 159
- 38. „ Von der Hölle 161
- 39. ,, Von dem Hineintreiben der Menschen ins Ilölleiifeiier . . 162
- 40. ,, Von den Ilöllengeistern 165
- 41., Von den Höllenbewolmern, ihren Speisen und Getränken . 167
- 42. ,, Von den verschiedenen Arten der Strafe nach Massgabe der Handlungen der Menschen 171
- 43. ’,, Von den Weintrinkern 175
- 44. ,, Vom Herausgelien aus dem Höllenfeuer 177
- 45. „ Von den Paradiesesgiirten 185
- 46. „ Von den Pforten des Paradieses ... 187
- 47. „ Von den Bäumen des Paradieses . . \ 196
- 48. „ A’’on den Huris 199
- 49. „ \’on den Paradiesesbewohnern 202
- Berichtigungen und Zusätze 208
- Boricbtigitngen des arabischen Textes 212
Republication
Muhammedanische Eschatologie : nach der Leipziger und der Dresdner : Handschrift zum ersten Male arabisch und deutsch mit Ammerkungen / Moritz Wolff..., Hildesheim ; Zürich ; New York : G. Olms, ("Documenta Arabica"), 2004 , XIV+214-116 p. ISBN 3-487-12629-X (rel.) Texte en allemand et en arabe. - Réimpression de la publication de 1872. Notes bibliog.
Une réflexion autour de cet ouvrage
Roberto Tottoli, Muslim Eschatological Literature and Western Studies, Der Islam. Vol. 83, Issue 2, Pages 452–477,