The author
Angelika Neuwirth was educated in Classics and Oriental Studies at German and international universities (Italy, Iran and Israel). She has taught at the Universities of Munich, Amman, Bamberg, and Cairo, and has held the Chair of Arabic Studies at the Freie Universitat Berlin since 1991. From 1994 to 1999 she served as the director of the Orient-Institut der Deutschen Morgenlandischen Gesellschaft in Beirut and Istanbul. Her major fields of research are classical and modern Arabic literature and Arab Late Antiquity studies. In several recent publications, Professor Neuwirth has tried to vindicate the Qur’an as a Late Antique text, which—though deeply rooted in Arab culture—has contributed creatively to a number of major theological discourses. Professor Neuwirth has been acknowledged for her novel approach to interreligious studies by being bestowed several honorary doctorates, academy memberships and professional awards.
Presentation
Suren der mittelmekkanischen Zeit setzen neue Schwerpunkte. Aus dem intimen Gespräch zwischen dem göttlichen Sprecher und dem mit »du« angesprochenen Verkünder entwickelt sich nun eine koranische Theologie. Sie basiert auf der Vorstellung immer wiederholten göttlichen Sprechens durch Propheten. In ihrem Bestreben, sich an diese biblische Prophetengeschichte und damit das Gottesvolk der Israeliten anzubinden, entwickelt die Hörergemeinde zunehmend das Bewusstsein, selbst zu den Erwählten zu gehören. Sie deutet biblische Geschichte, vor allem das Buch Exodus, typologisch und versteht daher ihre eigene Gegenwart nicht nur als Fortsetzung der Geschichte der von Mose geführten Israeliten, sondern als deren Neuinszenierung. Mose tritt als Vorbild für den Verkünder hervor: Nicht nur erfolgt seine Berufung unter ähnlichen Bedingungen wie die des Verkünders, auch Moses Exodus wird in einer wichtigen Transzendenzerfahrung des Verkünders neu inszeniert.
Der mittelmekkanischen Zeit kreisen um Erzählungen, die den Mittelteil einnehmen. Mit dieser Struktur greift die Gemeinde auf die Praxis der älteren Religionen zurück: Die Suren reflektieren nicht mehr nur liturgische Vorträge, sondern bilden vollständige monotheistische Gottesdienste ab, bei denen – vom jüdischen und christlichen Modell vorgegeben – Lesungen biblischer Texte in der Mitte zu stehen haben. Das neue Gottesvolk folgt dem älteren auch liturgisch nach.